Schicksalsstöcke

Literarische Weltreise zum Frauenwahlrecht – Sara Omar (Irak -Kurdistan)

Wir verlassen die Vereinigten Arabischen Emirate Richtung Irak und bereisen den kurdischen Teil.

Eine weiße Weltkarte mit zwei goldenen Flecken in der Position der Vereinigten Arabischen Emirate und dem Irak. Ein roter Pfeil führt vom ersten zum zweiten.

Sara Omar floh als kurdische Teenagerin mit ihrer Familie als vor dem Regime Husseins und findet in Dänemark ihre neue Heimat. Nach der Schule ging sie studieren, schreibt Gedichte und kritische Zeitungsartikel zum Thema Naher Osten und Patriarchat.

Sie ist gläubige Muslimin, legte mit 16 das Kopftuch ab. Denn sie kann lesen und kennt den Koran besser als viele andere

»Da lasse ich mir von niemandem etwas vorschreiben!
Da steht: Es muss ein ‚Schleier‘ zwischen Mann und Frau sein. Das bedeutet: Es muss eine Grenze zwischen den Geschlechtern geben. Einen Respekt füreinander.«

2017 erscheint ihr erster Roman. Dødevaskeren, zu deutsch Totenwäscherin.

Sie verarbeitet ihre Erfahrungen, als Mädchen in der zerstörerischsten Ausrichtung des Patriarchats aufzuwachsen; in patriarchal fundamentalistischen Strukturen, die wenig mit den Schriften des Koran oder dem Islam an sich gemein haben. Wo ihre Heldin in diesem System auf der einen Seite nichts wert ist und niemand ihr zu helfen wagt, sich gegen die Zerstörung ihrer kindlichen Seele zu wehren. Wo sie auf der anderen Seite von Frauen lernt, wie würdevoll sie und alle weiblichen Menschen sind, und dass ihr diese Würde von nichts und niemandem genommen werden kann.

Das Buch wird in Dänemark zum Hit, bringt Menschen aus ihrer muslimischen Gemeinde und nicht-muslimische Personen in Scharen zu ihren Lesungen und schließlich zusammen an einen Tisch. Es gewinnt den Læsernes bogpris 2018, den Leser*innen Preis Dänemarks. Sara Omar bekommt eine Audienz bei Königin Margarethe II. Und das rechte Lager wird auf die Autorin aufmerksam. 

Dänische Nazis versuchen, die Geschichte der Heldin Frmesk für islamfeindliche Propaganda zu instrumentalisieren. Sofort wird Sara Omar laut, wendet sich in einer Videobotschaft an die Menschen, in der sie sich klar vom rechten Gedankengut distanziert und sich zum Islam bekennt. Sie bete im Herzen, Glaube ist und bleibt Privatsache. Auch hier zeigt sich wieder, wie sehr Religion von den falschen missbraucht wird, überall auf der Welt. »Unterdrückung, Kindesmissbrauch, Inzest und Gewalt sind ausnahmslos zu bekämpfen«, sagt sie im Gespräch mit der ZEIT. »Sie existieren nicht allein in muslimischen Gesellschaften.«

Das Buch ist bisher auf Dänisch und Englisch erschienen. Sara Omar übersetzt nun ihren Roman ins Kurdische, plant überdies ein Hörbuch, um die vielen muslimischen Kurd*innen zu erreichen, die nie lesen lernen durften. Mit dem Erlös ihres Buches unterstützt sie kurdische Organisationen, denen sie vertraut.

Dänemark führte als zweites europäisches Land 1915 das Frauenwahlrecht ein. Im Irak – dem Gebiet, aus dem Sara Omars Familie fliehen musste und das dort nicht offiziell Süd-Kurdistan genannt werden darf – gab es seit Ende der 50er Jahre Bestrebungen ein Wahlrecht für Frauen einzuführen. Doch durch die unsteten politischen Situationen wurden die Wahlstimmen der Frauen erst ab 1980 gezählt, zugleich sind auch weibliche Politiker*innen dort der Scharia unterworfen. Die für Frauen mögliche Politik ist folglich in ein überaus strammes Korsett geschnürt oder um es regional typisch auszudrücken: ein winziger Rahmen des möglichen – von einem Ganzkörperschleier verhüllt. Dagegen steht Dänemark mit Ministerpräsidentin Mette Frederiksen aus dem sozialistischen Flügel, Königin Margarethe, deren politische Rolle mit der einer Bundespräsidentin vergleichbar ist und der seit Jahren glücklichsten Bevölkerung auf der Welt … der Unterschied könnte kaum deutlicher sein.

Autorin: Claudi Feldhaus

Der nächste Beitrag führt uns ab dem 17.02.2020 in den Iran.

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