Ein Beitrag von Elea Brandt
(www.eleabrandt.com)
Das erste August-Wochenende durfte ich auf der Manticon verbringen, einer kleinen aber feinen Convention mit über 24 Stunden feinstem Geek-Content. Die Location könnte für eine Fantasy- und Rollenspiel-Convention nicht besser gewählt sein: Die Starkenburg in Heppenheim ist eine liebevoll restaurierte Festungsanlage mit vielen kleinen Räumen, einem schattigen Innenhof und einer bezaubernden Aussicht. Die Atmosphäre ist locker und familiär, das Programm besteht aus einigen festen Punkten und sehr viel freien Möglichkeiten für gemeinsame Spielrunden und flexible Lesungen, je nach persönlichem Geschmack.
Apropos Lesungen: Für mich war die Manticon ein ganz besonderes Event, denn ich durfte dort meine allererste öffentliche Lesung halten, noch vor Erscheinen meines Debüts. Eine Pre-Release-Lesung sozusagen.
Für viele Autoren sind Lesungen ja ein Graus. Völlig schutzlos sitzt man da vor einer Meute mehr oder weniger interessierter Zuhörer und hat nur wenige Minuten Zeit, sie in seinen Bann zu ziehen und von der Begeisterungswürdigkeit des eigenen Werks zu überzeugen. Das ist harte Arbeit. Abgesehen davon werden Lesungen auch immer wieder stark kritisiert und ihre Berechtigung in Frage gestellt, das geht natürlich nicht spurlos an einem vorüber.
Während ich mich im Vorfeld auf meine Lesung vorbereitet habe, habe ich mir also ein paar Fragen gestellt. Welche Lesungen haben mir bisher besonders gut gefallen? Was zeichnet sie aus? Wie sorge ich dafür, dass ich mich beim Lesen selbst wohl fühle?
Auch wenn der Beitrag für meine kleine Lesung nicht zu 100 % zutraf, hat mir Annika Bühnemanns Leitfaden „Eine Lesung vorbereiten“ sehr gut dabei geholfen, mein Vorhaben zu strukturieren. Ich wollte das Ganze locker angehen, nicht zu steif, möglichst frei sprechen können. Trotzdem hab ich mir meinen Text in Stichpunkten aufgeschrieben, kurz notiert, was ich über mich und den Roman erzählen wollte. Ehrlich gesagt hab ich mich damit doch wohler gefühlt.
Schwieriger gestaltete sich die Auswahl der richtigen Szenen. Welche Perspektivträger soll ich nehmen? Welche Szenen enthalten zu viele Spoiler? Welche Szenen sind auch mit vagem Hintergrundwissen spannend? Wie kann ich die Stimmung und Atmosphäre des Romans am besten vermitteln? Am Ende habe ich mich lieber für drei kurze als zwei lange Szenen entschieden, sodass dazwischen Zeit für Fragen, Plaudereien und Erklärungen bleibt. Frühere Erfahrungen lehrten mich zwar, dass diese Möglichkeit nur selten wahrgenommen wird, aber mehr Zeit ist immer besser als weniger.
Natürlich war ich nervös, als es losging, aber kaum waren die ersten Sätze geflossen, wurde es einfacher und ich hatte richtig Spaß beim Lesen. Ich schätze, gerade darauf kommt es bei Lesungen an. Nur, wer selbst Freude daran hat, kann diese auch nach außen transportieren. Ein gewisses Lampenfieber ist dabei keine Einschränkung, sondern ganz normal, aber wem die Vorstellung, vor Publikum zu lesen, Schweißbäche über den Rücken jagt, sollte sich nicht dazu genötigt fühlen. Lesungen sind toll, aber nur dann, wenn beide Seiten – Leser und Zuhörer – davon profitieren können.
Aber zurück zur Manticon. Das Rahmenprogramm, das von allerlei selbstorganisierten Rollenspielrunden umrahmt wurde, bot Unterhaltung für jeden Geschmack. Im heimeligen Turmzimmer lasen u.a. Torsten Low, Jens Schumacher und Mario Steinmetz aus ihren Werken – eine hervorragende Mischung aus humorvollen, spannenden und horrorlastigen Geschichten –, Professor Tom Shippey – international anerkannter Tolkien-Experte – sprach über die Verbindung zwischen Tolkien, Jacksons Filmen und wissenschaftlichen Grundlagen und Marion und Frank, die „German Superfans of Game of Thrones“ gaben exklusive Einblicke in die Konzeption und Umsetzung der „Nachtwache“ in der beliebten Serie.
Wer lieber etwas aktiver werden wollte, konnte Samstagnachmittag an einem kleinen, aber feinen Schwertkampfseminar teilnehmen, angeboten von der Gruppe „Funkenflug“ aus Konstanz. Viel mehr als Grundlagen konnten selbstverständlich in 90 min nicht vermittelt werden, trotzdem würde ich jeder/m Fantasy-Autor/in raten, sich wenigstens einmal einem solchen Training zu widmen. Nicht nur, weil es wirklich Spaß macht, sondern weil sich die gröbsten Fehler schon mit ein paar Grundlagen vermeiden lassen.
Trotz des tollen Rahmenprogramms blieb rund herum noch genug Zeit, sich zu Rollenspielrunden zu treffen, gemeinsam ein Brett- oder Kartenspiel zu zocken oder bei der großen Rollenspiel-Auktion begehrtes (Sammler-)Material zu ergattern
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Alles in allem hat sich die Manticon für mich wirklich gelohnt, es war ein tolles Wochenende mit vielen netten Menschen und einer sehr familiären Atmosphäre, ganz anders als auf den großen Buchmessen und Conventions. Wer also gerne mal ein tolles, geekiges Wochenende mit Gleichgesinnten verbringen, Neues ausprobieren oder hautnah mit Autoren bzw. Verlegern plaudern will, der ist auf der Manticon goldrichtig.
Eure Elea Brandt