Schicksalsstöcke

Gastbeitrag: Unser Märzentag von Barbara Fischer Reitzer

#metoo-Debatte, Gender-Gap beim Lohn und die immer gleiche Debatte um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nichts Neues am Geschlechterhimmel? Nein, es bleibt ein stetes Ringen um Frauenrechten. Und das schon sehr lange.

Von den einen mehr, den anderen weniger beachtet, feiern Frauen am 8.März zum 107.mal den Internationalen Frauentag. Anlass genug, seiner Geschichte und ihrer Akteurinnen zu gedenken.

Ein Blick zurück

Unter dem Aufruf Unser Märzentag begehen im Jahr 1911 Frauen erstmals den Internationalen Frauentag. Damals noch am 19.3. Die Initiative geht von der SPD und den freien Gewerkschaften aus und ist ein Höhepunkt im Kampf  der Frauen um gleiche Rechte, gleichen Lohn und vor allem für das Wahlrecht.

„Dieser Internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Geschichte der Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann.“  Clara Zetkin, Frauenrechtlerin, 1911  (Quelle)

Undatierte Kohlezeichnung von Clara Zetkin | (c) dpa Bilderdienste

Im Zuge der um sich greifenden Industrialisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts entsteht eine Arbeiterinnenbewegung, die bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und gleichen Lohn sowie politische Teilhabe für Frauen fordert. Vor allem in Amerika streiken Anfang des 20. Jahrhunderts die Textilarbeiterinnen. Tausende von ihnen werden verhaftet. Doch ihre Botschaft wird weltweit gehört.

Frauen, weltweit

Es gibt also schon eine weltweite Frauenbewegung, als der II. Sozialistische Frauenkongress in Kopenhagen im Jahr 1910 auf Initiative der deutschen Sozialistin Clara Zetkin (1857-1933) die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages beschließt.

„Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“ – fordert Clara Zetkin auf dem Kongress. Ein Jahr später, es ist der 19. März 1911, gehen mehr als eine Million Frauen zum Frauentag auf die Straße, in Deutschland, Österreich, Dänemark, der Schweiz und der USA. Die erste globale Massenbewegung von Frauen. Ihre zentralen Forderungen: das Wahl- und Stimmrecht, die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages, ausreichender Mutter- und Kinderschutz, die Festsetzung von Mindestlöhnen und gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung sowie legaler Schwangerschaftsabbruch. Außer in Finnland dürfen zu diesem Zeitpunkt in keinem europäischen Land Frauen wählen. Deutschland wird Frauen dieses Recht erst im Jahr 1918 zugestehen. Und, um die zeitlichen Dimensionen des Kampfes um ein Recht zu verdeutlichen, das uns heute selbstverständlich erscheint: in der Schweiz dürfen Frauen erst seit 1971 und in Liechtenstein sogar erst seit 1984 wählen.

Die Bewegung greift um sich

Trotz seiner Wurzeln in der internationalen Arbeiterinnenbewegung, kann Clara Zetkin mit Fug und Recht als „Begründerin“ des Internationalen Frauentages gefeiert werden. Sie ist es, die den ersten Frauentag am 19. März 1911 initiiert. Bereits ein Jahr später schließen sich Frauen in Frankreich, Schweden und den Niederlanden der Idee an und gehen auf die Straße. 1913 Frauen in Russland.

Frauen setzen sich 1919 für ihr Recht, zu wählen, ein

Das Jahr 1917 ist ein Schicksalsjahr in Russland. Es ist der 8. März 1917, als Frauen anlässlich des Internationalen Frauentages in St. Petersburg demonstrieren. In den Textilfabriken der Stadt treten Arbeiterinnen in den Streik und fordern andere Betriebe auf, sich anzuschließen. Am Ende streiken 90.000 Menschen. Dieser Streik greift auf andere Bereiche über und mündet schließlich in einem Aufstand: die Februar-Revolution beginnt (nach russischem Kalender war es Ende Februar) in deren Folge der Zar abdankt und sich die UdSSR gründet.

Um dauerhaft an dieses Ereignis und die Wirkung von Einigkeit und Solidarität zu erinnern,  legt eine große sozialistische Frauenkonferenz im Jahr 1921 den 8. März als Datum für den internationalen Frauentag fest.

Unter der Naziherrschaft wird der Frauentag verboten.

festes Datum

Nach 1949 ist im sozialistischen Teil Deutschlands die Gleichstellung von Männern und Frauen mit der Staatsgründung verfassungsmäßig verankert. Der 8. März ist zwar kein offizieller Feiertag und frei, wie in anderen sozialistischen Staaten, aber er ist ein fest verankertes Datum in jeder Frauenbrigade.

In der BRD kämpfen 1948/49 vier Frauen im männerdominierten  parlamentarischen Rat (Dr. Elisabeth Selbert, Frieda Nadig, Helene Weber und Helene Wessel) um den Artikel 3, Abs. 2:  „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Und doch dürfen Frauen bis ins Jahr 1977 ohne Zustimmung des Mannes nicht arbeiten und dem Mann obliegt auch die Verfügungsgewalt über das gemeinsame Geld. Der 8. März spielt in der BRD erst nach der 68er Revolution wieder eine Rolle.

Auch heute machen Frauen auf der ganzen Welt am 8. März mit Veranstaltungen, Feiern und Demonstrationen auf noch immer nicht verwirklichte Frauenrechte aufmerksam. #metoo-Debatte, Gender-Gap beim Lohn und die immer gleiche Debatte um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zeigen. Nichts Neues am Genderhimmel? Doch, aber es bleibt viel zu tun.

*Autorin des Artikels ist Barbara Fischer Reitzer

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diandralinnemann
6 Jahre zuvor

Und heute gibt es zum Weltfrauentag Beautyangebote, Rosen und Schokolade. Als hätten wir nichts Besseres zu tun. ^^