Schicksalsstöcke

Gastbeitrag: Vom Buch zur Buchverfilmung von Felicity Green

Wer hat es noch nicht erlebt?

Man ist ganz in ein Buch versunken und die Handlung läuft im Kopf ab wie ein Film. Man kann sich alles so richtig bildlich vorstellen, hat eine komplette 3-D-Version der Protagonistin erfunden, fantasiert Orte und Geschehnisse bis ins kleinste Detail herbei. Man hat schwarze Tinte auf Papier (oder e-ink auf dem Bildschirm), Buchstaben, Wörter, Sätze … Kraft seiner Gedanken in Bilder umgewandelt. Kopfkino, eben.

Da liegt doch nichts näher, dass man das Buch tatsächlich zu einem Film adaptiert. Es wäre doch ein Traum, das Ganze gemütlich in einem Kinosessel fläzend auf der riesigen Leinwand zu sehen, während man leckeres Popcorn in sich hineinschaufelt, oder?

Vom Kopfkino-Traum zur bitteren Enttäuschung
Welches Buch eignet sich überhaupt zum Film? (Photo by Chris Bair on Unsplash)

Tja, für die meisten Kopfkino-ler wird der Traum aber oft zum Alptraum. Das liegt nicht allein daran, dass der Regisseur leider nicht in unseren Kopf gucken konnte, um die Geschichte genauso bildlich umzusetzen wie wir uns das vorgestellt haben. Selbst wenn wir selber die Regie bei der Verfilmung geführt hätten, wären wir an der perfekten Umsetzung wahrscheinlich größtenteils gescheitert (ja, auch wenn wir ein so großes Budget wie Peter Jackson gehabt hätten).

Es liegt unter anderem daran, dass Buch und Film unterschiedliche Medien sind, die mit anderen dramaturgischen Voraussetzungen arbeiten. Im Film ist das Tempo ganz anders (das Buch können wir so lange lesen wie wir wollen und entsprechend lang dauert auch unser Kopfkino-Film) und im Buch gibt es ganz andere Möglichkeiten, das innere Leben der Figuren darzustellen als im Film.

Das sind nur ein paar Beispiele. Zusammengefasst kann man sagen, dass der Film eine Art Übersetzung des Buches in ein anderes Medium ist und das gelingt mal mehr, mal weniger gut, selbst wenn das Buch perfekt dafür erscheint. Ich** kann zum Beispiel daran erinnern, dass ich beim Lesen von Sakrileg – Der DaVinci Code von Dan Brown gedacht habe: „Ein literarisches Meisterwerk ist das nicht, aber, Mann, wäre das ein guter Film. Die Cliffhanger. Die Action, diese Quest-Erzählung. Und dazu noch Mythologie! Ich will das sehen.“

Als der Film endlich ins Kino kam, bin ich nach 10 Minuten entrüstet aufgestanden und bin gegangen. Der Ton, die Atmosphäre, die Darsteller, das Tempo … nichts hat für mich gepasst. Den Rest des Films habe ich bis heute noch nicht gesehen.

Ein Film ist ein Gemeinschaftsprojekt

Folgendes sollte man sich ins Bewusstsein rufen, wenn man Bücher mit Filmen vergleicht: Das Buch ist eine Eigenleistung des Autors. Klar, es gibt den Verlag, Lektoren, Beta-Leser und andere Leute, die zu dem Werk etwas zu sagen haben und die Entstehung beeinflussen. Aber im Großen und Ganzen ist es meist die kreative Schöpfung einer Person. Der Film aber ist eine Gemeinschaftsleistung. Viele, viele Menschen arbeiten daran. Natürlich wird dabei die Vision des Regisseurs umgesetzt – und der hat oft auch am Ende das letzte Sagen.

Doch das muss nicht heißen, dass das Endresultat komplett dieser Vision entspricht. Nicht umsonst gibt es den Director’s Cut. Der unterscheidet sich von der kommerziellen Version des Filmes dadurch, dass darin auch Szenen enthalten sind, gegen die sich der Geldgeber (Filmstudio, Produktionsfirma) entschieden hat, um dem Geschmack der Kinogänger (oder erst mal dem Testpublikum) gerecht zu werden. Der Regisseur ist im Grunde genommen so etwas wie der künstlerische Leiter eines riesigen kreativen Teams.

Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Richard Kelly, zum Beispiel, lag sein Donnie Darko-Script so sehr am Herzen, dass er sich auf keine Kompromisse einlassen wollte. Der bis dato unbekannte Kelly shoppte so lange bei Produzenten herum, bis ihm zugesagt wurde, selber Regie führen zu können. Schließlich setze er den Film mit einem sehr geringen Budget um, wobei er selber lediglich eine Gage von 9000 USD erhielt. Beinahe fand sich kein Verleih für den Film. (Quelle: IMDB)

Was muss eigentlich passieren, damit aus einem Buch eine Buchverfilmung wird? Und wer ist daran alles beteiligt?
Kein Alleingang: Ein Film ist ein Gemeinschaftsprojekt (Photo by lan deng on Unsplash)

Produzent und Filmstudio: Wenn am Anfang eines Buches ein kreativer Einfall steht, dann steht am Anfang der Buchverfilmung neben der Umsetzungsvision noch eins: Geld! Klar, denn ein Film ist nun einmal unheimlich teuer. Es muss erst einmal jemanden geben, der sich um die Investition kümmert. Besonders in Europa sind sogenannte Koproduktionen weit verbreitet, d.h. mehrere Filmproduktionsgesellschaften arbeiten zusammen. Der Produzent mit der größten Mehrheit darf natürlich dann am meisten entscheiden!

Traditionellerweise ist der Weg für Verlagsautoren wie folgt: Dein Literaturagent versucht das Buch bei einem Verlag unter Dach und Fach zu bringen, aber er kümmert sich auch noch um etwas anderes: Er fragt bei einer Agentur, die sich auf Film- und Fernsehrechte spezialisiert an, ob Interesse besteht. Genauso gut kann es sein, dass der Verlag versucht, die Filmrechte für ein Buch zu verkaufen. In jedem Fall ist dabei meist eine Rechteagentur involviert, die den richtigen Produzenten für den Filmstoff sucht. Gewünscht sind natürlich auch gute Verbindungen zu einem bestimmten Filmstudio oder Sender. Schließlich kauft der Produzent erst einmal eine Option auf das Buch. Damit kann er sich die Film-Verwertungsrechte für einen bestimmten Zeitraum sichern.

Für Selfpublisher ist das alles nicht ganz so einfach. Aber auch da gibt es Möglichkeiten. Der englischsprachige Verband ALLI (Alliance of Independent Authors) hat ein Buch für Indie-Autoren herausgegeben, die ihre Buchrechte verkaufen möchten. Dann gibt es noch PubMatch – eine Art Partnerbörse für internationale Rechte, auf der sich angeblich auch Filmproduzenten tummeln.

Wenn ein Produzent gefunden wurde, dann kümmert der sich erst einmal um die Finanzierung und  Organisatorisches. Ein Regisseur und alle weiteren Beteiligten müssen gefunden werden. Zum Beispiel:

Drehbuchautor:

Wird ein Buch adaptiert, ist der Drehbuchautor meist nicht der Buchautor! Ein Script ist schließlich etwas Anderes als ein Roman. Da setzen Produktionsfirmen auf erfahrene Profis. Manchmal dürfen die Romanautoren mitsprechen oder gar mitwerkeln, was aber noch zu mehr Unzufriedenheit führen kann. Wie im Fall von Roald Dahl, der am Drehbuch von Charlie und die Schokoladenfabrik mitwirkte, aber trotzdem nicht glücklich mit dem Film war. Ganz selten darf der Autor das Drehbuch schreiben, wie im Falle von Gillian Flynn (Gone Girl).

Locationscouts:

Die Drehorte werden von Locationscouts gefunden. Selbst wenn der Regisseur dann am Ende noch Entscheidungsgewalt hat – die Scouts treffen eine Vorauswahl. Ein gutes Beispiel dafür, wie beim Film mehrere Visionen zusammentreffen. Eine andere ist:

Casting:

Oft hat unsere Enttäuschung über eine Buchverfilmung damit zu tun, dass die Protagonistin oder der Protagonist mal so gar nicht unserer Vorstellung entsprechen. Beim Lesen des Buches haben wir mitgelitten, uns mitgefreut. Wir sahen die Figur von außen und von innen. Wir haben uns in sie hineinversetzt, ja, wir waren die Person! Kein Wunder, dass die Castingdirektoren meist nicht die Schauspieler finden, die wir uns vorgestellt haben. Oft ist sogar der Autor der Filmvorlage enttäuscht. Auf Pinterest kann man nachschauen, wie sich Lieblingsautoren ihre Protagonisten vorstellen, wie hier Sarah J. Maas, und manche pinnen dabei auch ihr „Dream-Cast“. Stephenie Meyers hatte sich laut IMDB konkret gewünscht, dass Henry Cavell die Rolle von Edward in Twilight übernimmt, und Emily Browning Bella spielt.

Nach jahrelangem Warten und Bangen endlich grünes Licht für den Film
Vor allem eines ist nöitg: viel Geduld (Photo by Charles Deluvio 🇵🇭🇨🇦 on Unsplash)

Und das sind alles lediglich Aspekte der Vorproduktion. Wenn all das unter Dach und Fach ist, alle Verträge ausgearbeitet sind und die Finanzierung steht, dann wird grünes Licht für die Dreharbeiten gegeben. Bis dahin hängt die tatsächliche Umsetzung noch in der Schwebe, weshalb gut 3 bis 5 Jahre vergehen können, bis eine Buchadaption umgesetzt wird – und weshalb man sich als Autor nicht zu früh freuen soll, nur weil ein Produzent eine Option erwirbt.

Während der Dreharbeiten gibt es natürlich noch viele weitere Visionen, die in die Umsetzung hineinspielen, angefangen von den Szenebildern bis zu den Kostümen. Einen entscheidenden Einfluss hat auch noch der Schnitt in der Postproduktion.

Ich bewundere Autoren, die es schaffen, sich an einer Adaption ihres Romans zu beteiligen und dann ein Film entsteht, der ihrer Vision und damit ihrem Buch sehr nahe kommt. Das ist doch ein Traum aller Autoren, oder nicht? Wenn ich die Chance bekäme, würde ich nicht zögern. (Liebe Filmproduzenten, ihr könnt mich unter felicitygreenauthor@hotmail.com erreichen).

Noch mehr bewundere ich die Autoren, die völlig zufrieden damit sind, wenn ihr „Buchstoff“ in einen etwas anderen „Filmstoff“ übersetzt wird. Ich bin ein großer Fan der Sookie Stackhouse-Reihe von Charlaine Harris. Ich schaue auch gerne die Serie True Blood, die auf der Buchreihe beruht. Buch und Serie unterscheiden sich sehr, haben fast schon eine unterschiedliche Tonalität, aber beide sind auf ihre eigene Weise sehr gut. Charlaine Harris findet das anscheinend auch 🙂 „Ja, ich bin sehr glücklich mit Alan Balls Inszenierung von True Blood.“

 

**Autorin des Beitrags ist Felicity Green

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Diandra
5 Jahre zuvor

Meine Güte, klingt das alles kompliziert …