Schicksalsstöcke

100 Jahre Bauhausfrauen von Diandra Linnemann

Im Jahr 1919 wurde in Weimar die Kunstschule Bauhaus gegründet. Sie war so bedeutend, dass sie sogar ungebildeten Kunstnulpen wie mir ein Begriff ist. Einige der bedeutendsten Künstler der Moderne lernten und lehrten hier, unter anderem Paul Klee und Wassily Kandinsky. Wenn man sich allerdings nicht ausgedehnt mit der Materie beschäftigt, könnte man eine Kleinigkeit komplett übersehen: Die Bauhaus-Frauen.

Davon gab es nämlich eine ganze Menge. Ihr wollt Namen? Könnt ihr haben: Benita Koch-Otte. Annie Albers. Lou Scheper-Berkenkamp.

Kennt ihr alle nicht? Muss euch nicht peinlich sein. Denn obwohl etwa ein Drittel der Studierenden am Bauhaus Frauen waren, wirkte es manchmal fast so, als seien die Künstlerinnen der Kunstschule peinlich.

Natürlich waren es andere Zeiten. Die Emanzipationsbewegung war noch frisch und ungebändigt. Die Idee, dass Frauen eigene Karrieren haben konnten und sollten, kam vielen Leuten absurd vor. Und dennoch – das Bauhaus hatte sich auf die Fahne geschrieben, Kunstbildende unabhängig von Alter, Klasse oder Geschlecht zu fördern und auszubilden.

Soweit die Theorie.

In der Praxis stand den angehenden Künstlerinnen, die sich um einen Ausbildungsplatz am Bauhaus bewarben, kaum eine Möglichkeit außer dem Textilhandwerk offen. Sie wurden zu Weberinnen ausgebildet. Nur wenigen gelang es, sich in anderen Bereichen durchzusetzen. Fotografie, Architektur oder Metallhandwerk galten als „Männerdomänen“. Frauen, die diese Kurse besuchten, wurde zu verstehen gegeben, dass sie nicht erwünscht waren.

Einigen gelang es nichtsdestotrotz, sich auf ihrem Gebiet durchzusetzen. Gunta Stölzl wurde die erste Meisterin am Bauhaus. Mariannne Brandt übernahm zeitweise die Leitung der Metallwerkstatt. Andere hingegen, zum Beispiel Alma Siedhoff-Buscher oder Gertrud Arndt, resignierten und führten ihre künstlerischen Aktivitäten gar nicht oder nur als Hobby fort.

Inzwischen beschäftigen Spezialisten sich mit den Bauhaus-Frauen, es gibt Romane und Filme über sie. Viele von ihnen erhalten jetzt erst die Anerkennung, die ihre Kunst verdient. Aber in anderen Bereichen kämpfen wir Künstlerinnen heute noch die gleichen Kämpfe wie die Bauhausfrauen damals: Gegen Seilschaften, gegen Vorurteile und gegen überkommene Traditionen. Bleibt nur zu hoffen, dass wir damit zukünftigen Künstlerinnengenerationen den Weg ebnen können – in bester Bauhausfrauentradition.

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