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Nonlineares Erzählen mit der Dessler-Engine

Normalerweise handelt es sich bei den Stories, die wir schreiben, um normale lineare Geschichten, die allenfalls mal Rückblenden beinhalten. Seit kurzem ist es hier aber auch möglich, nonlineare Geschichten zu erstellen und sie der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich zu machen.

Nonlineare Geschichten? Mal einen Schritt zurück – was ist das eigentlich?

Ich hole mal etwas weiter aus und stelle eine andere Frage vorweg: wer kennt Abenteuer-Spielbücher der Serie „Choose your own Adventure“? Den Klassiker „Der Hexenmeister vom flammenden Berg“ aus dem Goldmann-Verlag? Oder eine Ausgabe von „Einsamer Wolf“, einer 20-teiligen Spielbuch-Reihe, geschaffen von Joe Dever, ebenfalls ursprünglich bei Goldmann?

Es geht also um interaktive Fiktionen, hier in der Form der Spielbücher. Die Leser bestimmen den Ablauf der Story, während die Autorin beim Schreiben alle Möglichkeiten (Pfade) erstellt und festgelegt hat. Da typischerweise es nicht nur einen Pfad durch das Buch gibt, wird diese Art der Literatur nonlinear bzw. nichtlinear genannt. Es gibt hier verschiedene Ausprägungen.

– Wenn man die Interaktivität solcher Werke sehr hoch ansetzt, kommt man zu einem Textadventure, das nur mit einem Computer präsentierbar ist, weil User ihre Aktionen in natürlicher (geschriebener) Sprache eingeben können.

– Typische Spielbücher haben eine mittlere Interaktivität; es gibt neben dem Text meist ein analoges System, das die Kämpfe und Ressourcen der Nutzer mittels Würfeln und Listen auf Papier abbildet, und ansonsten blättert man halt zum jeweils genannten Abschnitt. Auch hierfür gibt es längst Engines, welche dies mittels des Computers verwalten, etwa TADS oder Ren’Py. Aber auch sie sind schon relativ komplex.

– Da wir überwiegend Autor:innen und keine Spieleentwickler:innen sind, schien eine Buchform mit  niedriger Interaktivität das Beste sein. Das bedeutet, man verwendet nur einige wenige der Spielansätze und konzentriert sich hauptsächlich auf das Erzählerische.

Und damit befinden wir uns im Kernbereich der interactive fiction. Ein großes und spannendes Thema, in dem sich in den letzten Jahrzehnten viel getan hat. Aber wir wollten hier recht klein anfangen, und zwar damit, einfach eine simple Basis anzubieten, in welcher man das eigene interaktive Buch, dessen Erstellung technisch nicht schwerer sein soll als die eines gewöhnlichen Buches, präsentieren kann. Und zwar mit der Dessler-Engine, die 2022 entwickelt wurde und nun die  dafür erstellten Texte aller Nornen als interaktives Webprogramm zugänglich macht. Das Produkt ist noch ganz frisch, daher ist momentan nur eine Demogeschichte da, in der man viele der Möglichkeiten sehen kann.

Und was ist nun eine Engine?

Ein Programm, das die jeweilige Buchdatei einlesen kann, um nur den aktuell gewünschten Abschnitt darzustellen. Damit verbunden ist die Möglichkeit, nach jedem Abschnitt eine Auswahl anzubieten, mit der man zu einem weiteren Abschnitt gelangt, von Anfang bis Ende. Aber der Weg dazwischen ist der  Leserschaft überlassen. 

Außerdem sorgt das Programm für die passende Formatierung und kann (wenn es von der Autor:in berücksichtigt wurde) auch mit den Variablen umgehen, welche bei der Lenkung der Pfade helfen. (Man kann aber auch Buchdateien ganz ohne Variablen erstellen, wenn einem das zu kompliziert ist.)

Und das ist es schon. Das Angebot, solche Buchdateien zu präsentieren,  steht allen Nornen offen.  Lesen kann dort natürlich jede:r. 

Der Link ist http://dengine.nornennetz.de/dengine.pl

Viel Spaß!

Diana Dessler

[Bildquelle]

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