Schicksalsstöcke

Türchen 21: Der Engel über der Krippe (Vanessa Tolentino)

Es war Heiligabend. Schon wieder. Für Engel, wie Flo war das nichts besonderes mehr. Jedes Jahr der Flug über die Häuser und das Verteilen der Geschenke. Dankten die Kinder es einen? Nein. Natürlich nicht. Sie glaubten an den Weihnachtsmann und stellten ihn Milch und Kekse bereit. So ein Blödsinn. Es waren die Engel, die die ganze Arbeit leisteten. Es waren die Engel, die die Wunschzettel einsammelten und auswerteten. Es waren die Engel, die die Geschenke besorgten und schön verpackten. Es waren die Engel … Argh! Verdammt! Ihm war ein Päckchen aus dem Säckchen gefallen, welches Flo über seinen Rücken mit sich trug. Er musste es wieder aufsammeln. Auch er hatte einen Chefs, der im die Hölle heiß machte, wenn er das Geschenk nicht richtig abliefert. Den Ärger wollte er sich ersparen.

Das Paket war auf einem Dach einer Krippe gelandet, welches am Rand eines Weihnachtsmarkt lag. Schnell landete der Engel drauf und verweilte. Er ließ seinen Blick schweifen.

Der Duft von fettigen Essen stieg in seine Nase. Dicke Weihnachtsmänner zogen schlecht gelaunt mit Werbetafeln durch die Fußgängerzone. Menschen hetzen durch die Geschäfte, um die letzten Geschenke zu kaufen

 Menschen hetzten noch durch die Geschäfte. Was war daran noch heilig? Dann blieb sein Blick an einem Paar hängen. Sie wanderten Händchenhaltend über den Markt. Doch ihre Gesichter waren starr. Kein Lächeln, keine Zärtlichkeit, nichts. Und hier war wieder eines der Paare, die zusammen waren, weil es die Gesellschaft gerne sah. Wieder nichts besonderes. Wie oft beobachtete der Engel das schon. Gab es denn wirklich noch Liebe?

Die Augen des Engels blieben an dem Paar hängen. Warum? Er hatte besseres zu tun. Das Paar kam auf ihn zu, sah ihn aber nicht. Engel konnten unsichtbar sein, wann immer sie es wollten. Nur selten zeigten sie sich. Stattdessen sahen sie einen Holzengel, der über der Krippe hing. Wie gebannt sah die Frau auf den Holzengel, als ob sie eine Botschaft von ihm erwartete. Nahm der Mann das wahr? Wahrscheinlich nicht. Sein Blick galt dem Smartphone. Erst als er es wegsteckte, sah er sich eine Weile die Figuren näher an. Für einen Augenblick verweilte sein Blick auf dem hölzerne Christkind. Die Frau musste niesen. Der Mann zog seinen Mantel aus und legte ihn über ihre Schultern. „Ich will nicht, dass du frierst“, hauchte er und drückte sie liebevoll an sich, ehe sie sich von der Krippe abwendeten.

Das war wahrlich ein schönes Bild an dem sonst so scheinheiligen Abend.

Mit leichtem Herzen konnte Flo weiterfliegen und den Kindern Geschenke, Glück und Liebe bringen.

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