Marslandschaft
Stöberrunde

Die Entstehung von „The Norns: Mission on Mars“

Link zum Trailer: https://youtu.be/mzpz3EvCIiw

Link zum Film: https://youtu.be/8kjh76QqB-g

Only one? Against all these aliens??

David Miller, Homeland Security Agent

Am Anfang wollte ich nur ein wenig Aufmerksamkeit für das Nornennetz. Ein Video schien mir der geeignete Weg dafür – es ist unterhaltsam, prägt sich gut ein, wird gerne geteilt und eignet sich hervorragend für Storytelling. Aber es muss nicht nur gut, sondern einzigartig sein und sich von der Masse abheben.

Mir schwebte zunächst ein Trailervideo für einen humorvollen, vielleicht etwas absurden Science-Fiction-Film vor, entfernt ähnlich den 60er-Jahre-Klassikern oder der Parodie „Amazonen auf dem Mond“, die ich vor Jahren gesehen hatte. Bei meinen Recherchen entdeckte ich ihn wieder und war relativ enttäuscht davon, was sich mit der überwältigenden Mehrheit der Bewertungen deckte. Nein, das war nicht gut genug. Die Nornen sollten dabei ja gut wegkommen.

Also änderte ich den Ansatz ein wenig. Statt dem Mond sollte es um den Mars gehen, und die Story sollte ernsthafter und tiefgreifender sein. Ich begann im Netz nach freien Clips zu suchen, die meinen gekauften Bestand ergänzen sollten. Ich sammelte potenziell geeignetes Material. Tagelang.

Dabei stellte sich heraus, dass es gar nicht so viele umfangreiche Quellen gab, die Material bereitstellten, das man wirklich problemlos nutzen durfte. Obendrein gab es Anbieter, die nur den Download von drei Dateien pro Tag erlaubten. Gegen Bezahlung gäbe es natürlich mehr. Aber ich wollte für einen kleinen Trailer keine Verträge eingehen. Es war eben kein Produktvideo, das sich durch den Verkauf von Waren leicht refinanzieren würde, sondern nur ein Projekt, das auf einer wilden Idee von mir basierte – und das durch die anderen Nornen obendrein auch noch blockiert werden konnte, wenn ihnen das Ergebnis nicht gefiel. Also: ohne den Kauf von Clips weitermachen.

Schließlich schien ich genug gesammelt zu haben, um sie in meinem Videoprogramm zusammenzuschneiden. Ich fügte Clip an Clip, kam auf rund drei Minuten und stellte fest, daß schon zu viel Story darin war. Ein Trailer besteht ja typischerweise aus spektakulären Bruchstücken eines Films und macht neugierig, ohne zu viel zu verraten, und all das in hohem Tempo. Ich hatte schon einige Szenen, die als Dialoge und Erklärungen dienen konnten. Im Prinzip gut, aber nicht ideal für einen Trailer. Ich konnte jetzt natürlich kürzen. Doch ich merkte, daß ich bereits auf dem Weg zu dem ganzen Film war, der nur als Vision im Hintergrund geschwebt hatte. Wenn ich aber schon den ersten Schritt gegangen war, warum nicht auch den zweiten machen?

Aber dafür brauchte ich mehr Material. Ich setzte meine Suche also fort, arbeitete die Szenen aus, die ich brauchen würde – und stellte fest, dass dafür weit mehr Figuren notwendig waren. Folglich brauchte ich mehr Stimmen. Da ich mangels Synchronsprecher:innen mit synthetischen Stimmen arbeiten wollte, war ich auf die Stimmen eines Programms angewiesen, das ich mir vor zwei Jahren gekauft hatte. Es bot zwar zahlreiche Sprachen an, aber in Deutsch gab es nur eine Handvoll Stimmen. Selbst von denen hörten sich nur zwei oder drei glaubhaft an, der Rest entsprach den monotonen Ansagen alter GPS-Navis. In Englisch hingegen war die Auswahl wesentlich größer, es gab Stimmen für Großbritannien, die USA, Australien, Kanada, Irland und sogar Indien. Auch hier war nur ein Teil der Stimmen hochwertig, aber insgesamt war das eine arbeitsfähige Basis. Also musste der Film auf Englisch „gedreht“ werden. Das passte ohnehin gut zum amerikanischen Setting, denn das war eben die einzige Nation, die erfolgreich Flüge zum Mars unternommen und dabei freies Videomaterial produziert hatte. Die NASA wurde meine Anlaufstelle Nummer eins.

Nein, das eigentliche Problem waren die „normalen“ Szenen mit Menschen. Hier boten Pixabay und andere zwar eine Menge an Szenen an. Diese dauerten im Durchschnitt zwischen 5 und 9 Sekunden und zeigten typischerweise zwei Arten von Abläufen:
– irgendwelche gutaussehenden und glücklich wirkenden Models, die sich in einer urlaubsähnlichen Umgebung befinden
– irgendwelche Business-Teams, die fröhlich an einem Projekt arbeiten

Dieses Material war offensichtlich auf Werbung zugeschnitten, nicht auf Plot. Erst recht keinen dramatischen Plot. Ich führte etliche Suchen durch und scrollte mich tagelang durch technisch brillante Videos, die ich nicht brauchen konnte, nur um hier und da einen möglichen Clip zu entdecken. Es ging sehr langsam voran. Das Material schien mir überdies zum Teil von Testaufnahmen von Kleinfirmen zu stammen, die neue Darsteller casten wollten oder aus Demomaterial von Indie-Produktionen. Jedenfalls tauchte hier und da etwas Ungewöhnlicheres auf und vor allem: mehrere Szenen mit denselben Menschen. Das war sozusagen der Gral unter den Fundstücken.

Die „Der Herr der Ringe“-Saga wäre nicht dieselbe, wenn Figuren wie Gandalf, Legolas und Aragorn nur jeweils für neun Sekunden in ihr auftreten würden. Ich brauchte ebenfalls Darsteller:innen, die mehrfach zu sehen waren, um an ihnen wenigstens die Haupthandlung aufhängen zu können. (Dieses Problem hatte ich mir erst durch den Übergang vom Trailer zum Film eingehandelt; in einem Trailer wäre es gar nicht aufgefallen. Selbst schuld, wenn man etwas Besseres machen möchte.)

Etliche Zeit später hatte ich endlich genug Szenen beisammen, um damit halbwegs sinnvolle Dialoge führen lassen zu können. Und ich hatte sogar freie Ausschnitte einer östlichen SF-Filmproduktion gefunden, in der eine Darstellerin etwas in einer Militärbasis anstellt und dabei verzweifelt. Diese unterirdische Basis war an den meisten Wänden mit schwarzgelben Warnklebestreifen markiert. Ich wußte nicht, warum man die Wände so beklebt hatte („Bitte nicht gegen die Wände laufen“?), es sollte vielleicht futuristisch aussehen. Ich brauchte für den Plot hingegen eine außerirdische Basis, und Aliens verwenden bestimmt nicht unsere Art von Warnhinweisen. Für mich hieß das jedenfalls, daß ich keine Szene mit diesen Markierungen verwenden konnte – und das war ungefähr die Hälfte der gefundenen Szenen! Immerhin, besser als nichts. Diese Szenen sollten schließlich den Kern meiner Story ausmachen, die Rettung der Erde vor den Aliens. Daher bricht meine Figur am Schluß auch nicht verzweifelt zusammen wie im Original, sondern verläßt munter die Basis.

Schließlich hatte ich rund elf Minuten zusammen. Ein wenig kurz, dachte ich. So schnell läßt sich keine außerirdische Invasion abwehren. Und manches war erklärungsbedürftig. Ich hatte NASA-Material von der Perseverance-Mission verwendet; diese fand während der Corona-Pandemie statt, folglich trugen die Mitarbeiter Masken. Alle anderen Szenen waren offenbar älter und zeigten ausschließlich Personen ohne Masken. Warum trug man also in der Handlung nur bei der NASA Masken und sonst nicht? Ich brauchte Szenen, die eine Erklärung lieferten.

Also nochmal in die Clipsuche. Ich wollte eigentlich eine Szene haben, in welcher ein General im Pentagon Vorsichtsmaßnahmen fordert. Aber es gab weder Soldaten mit höheren Rängen und nicht einmal Videoaufnahmen vom Pentagon – als freie Clips, versteht sich. Also machte ich aus einem leitenden Angestellten einer Firma von einem Businessclip den Verteidigungsminister und umging damit das Problem der fehlenden Uniform.

Solche Tricks waren öfters notwendig. Ich musste meinen geplanten Plot ändern, um ihn passend zu den verfügbaren Szenen zu machen. Das war ungefähr so, als wolle man einen Vampirroman schreiben, dürfte dabei aber die Begriffe Blut, Vampir, beißen, Hals, Sonne, Knoblauch und Pflock nicht verwenden. Es war die Umkehrung des üblichen Vorgehens bei einem Drehbuch. Im Prinzip hatte ich nur einen Haufen zufälliger – nun gut, sorgfältig ausgesuchter – Szenen, die niemals für meine Story gedacht waren, und nur durch geschickte Zusammenstellung, Schnitt und passende Vertonung würde der gewünschte Film daraus entstehen. Wenn man gewohnt ist, Filme auf die normale Art zu machen und ein Drehbuch konsequent umzusetzen, fühlt sich das ziemlich falsch an. Aber es funktioniert, weil die Zuschauer:innen natürlich nicht wissen, was ursprünglich geplant war. Und ob nun ein General eine Empfehlung abgibt oder ein Minister eine Anordnung trifft, spielt letztlich für die innere Logik der Handlung kaum eine Rolle.

Ich war ziemlich froh, nette Figuren für die Nornen gefunden zu haben. Und bei der Suche stieß ich noch auf interessante Nebenfiguren, die ich auch in den Cast aufnahm. Tatsächlich fühlte sich die Suche nach Personenclips ziemlich wie ein Casting an, nur bildeten Personen und Handlung bereits eine Einheit, man konnte sie nur als Paket bekommen.

Aber alle Clips (bis auf die der NASA) waren stumm. Ich musste entscheiden, wer welche Stimme bekommen sollte – die besten Stimmen galten natürlich für die Hauptfiguren. Aber mein Cast war inzwischen so groß geworden, dass selbst meine „guten“ englischen Stimmen nicht mehr ausreichten. Also kaufte ich noch schnell ein weiteres Programm mit neuen Stimmen und konnte damit einige Stimmen, die ich bereits fertig unterlegt hatte, aber nicht zufrieden mit ihnen war, austauschen. Dann galt es also, sämtliche Figuren ihren Text sprechen zu lassen. Da es sich bei den meisten Clips anscheinend um amerikanische Beiträge handelte, waren meine englischen neuen Texte bisweilen sogar recht passend zu den Lippenbewegungen, auch wenn ich nicht wusste, was die Personen im Original gesagt hatten. Diese „Synchronisation“ war eine richtige Fleißarbeit, denn ich musste meinen Dialogtext ja auf das Timing des Videoclips abstimmen. Mehrfach musste ein Text also geändert werden, um entweder zur Länge des Sprechens der Figur oder zu deren Lippenbewegungen zu passen. Auch dies war genau umgekehrt, wie man es beim Film eigentlich macht. Da sprechen die Darsteller:innen einfach den Text, den man ihnen gibt, und es dauert so lange, wie es eben dauert. Und dann ist die Szene zu Ende. Richtig simpel im Gegensatz zu meinem Aufwand.

Aber das war noch nicht alles. Als alle Sprechtexte „im Kasten“ waren, wurde erst richtig deutlich, daß die Szenen keine „Atmosphäre“ hatten. Sie wirkten so, als seien sie in einem perfekten Tonstudio für Stimmen aufgenommen – was sie praktisch auch waren. Doch ansonsten gab es keine Geräusche. Das musste natürlich geändert werden. Zum Glück hatte ich schon einige Monate vorher eine umfangreiche Soundbibliothek erworben. Mit dieser fügte ich also einerseits die „Atmo“, andererseits konkrete Geräusche wie die von fahrenden Autos, Schritten, Tippen auf der Tastatur, Klingeln von Telefonen, Menschenmengen etc. hinzu, bis sich alles scheinbar natürlich anhörte – also ungefähr so, wie die Clips im Original geklungen haben mögen, bevor man sie ohne Ton ins Netz gestellt hat.

Zwischendurch erstellte ich aus dem inzwischen ziemlich kompletten Film den Trailer, den ich eingangs hatte haben wollen. Das war dank des vorliegenden Materials nun recht einfach. Danach folgten der Titel und der Abspann. Vorher hätte das keinen Sinn ergeben, denn erst jetzt wusste ich ja, wen ich alles im Abspann nennen musste und wollte. Auch wenn etliche Quellen keine Angabe verlangten, habe ich sie dennoch alle aufgeführt. Das erschien mir nur fair.

Als Abschluss des Projekts machte ich mich an den Soundtrack. Zum Glück hatte ich schon Monate vorher… ihr wisst schon. Mit dieser Auswahl probierte ich immer wieder herum, bis ich endlich Stücke fand, die vom Tempo und Thema gut zu den Szenen zu passen schienen. Vielleicht werden sie nicht jedem passen – Musik ist stets sehr subjektiv – aber ich war schon recht kritisch und tauschte sie immer wieder aus, schuf Übergänge und ließ hier und da Freiräume, bis mir das Ergebnis nicht nur gefiel, sondern als SF-Film glaubhaft wirkte.

Insgesamt hatte ich nun gut 25 Minuten, was zwar nur ein Drittel eines normalen Spielfilms war, aber ich wollte die Handlung nicht künstlich aufblähen, und vor allem hatte ich keine weiteren sinnvollen Szenen mehr. Alle Szenen mit meinen „Hauptfiguren“ hatte ich schon eingesetzt. Es wären also neue Figuren mit neuen Nebenhandlungen erforderlich gewesen, und ich hätte sie nicht mehr elegant mit dem Hauptplot verknüpfen können. Aus den Szenen, die ich in wochenlanger Arbeit herausgesucht hatte, hatte ich anscheinend schon das Optimum herausgeholt. Bei meinen fortlaufenden Suchen hatten die Treffer längst begonnen, sich zu wiederholen, weil es trotz des großen Umfangs wohl gar nicht so viele Clips mit meinen Anforderungen gab. Da sich durch neue Uploads bei den Anbietern deren Bestand zwar täglich erweitert, mag das langfristig besser werden, aber weitere Wochen wollte ich nicht mehr in das Projekt stecken, das letztlich auf zweieinhalb Monate gekommen ist.

Dieses „Making of“ erklärt ein wenig, wieso dieser Zeitraum notwendig war, und so manches Detail habe ich gar nicht erwähnt: die sporadischen Abstürze des Videoprogramms, die Verzögerungen bei der Nutzung von 4K-Material, die Finessen des GreenScreens, die umfangreichen (und lehrreichen) Sichtungen von NASA-Material…

Bei letzterem habe ich noch mehr Respekt vor deren Leistungen bekommen. Sie haben es nicht nur geschafft, den kleinen autonomen Hubschrauber Ingenuity auf den Mars zu schaffen, wo er schon 62mal geflogen ist, sondern haben auch genug Humor für nerdmäßige Videos wie „NASA Johnson Style“. Und das Video ist echt. Das Original Logo ist drin 😉

Insgesamt dürfte nach diesen Beschreibungen deutlich geworden sein, dass die Erstellung eines Films aus Stock Video Szenen weit komplexer und aufwändiger ist als es zunächst wirkt. Sicher, ich habe schon etliche Minivideos gesehen, in denen jemand ein paar ansehnliche Landschaftsaufnahmen herausgesucht, sie mit Musik unterlegt und vielleicht noch einen Offton darauf gesprochen hat. Das ist simpel – vermittelt aber lediglich eine Stimmung, keine Handlung.

Bei meinen Recherchen bin ich jedoch auf den 12minütigen Film „Solus“ gestoßen, der ebenfalls auf NASA-Material basiert und einen NASA-Astronauten in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Laut Filmbeschreibung ist der Film auf mehreren Festivals gelaufen und hat etliche Awards abgeräumt. Obwohl er mir zusagt, finde ich persönlich (aber da bin ich voreingenommen 😊) meinen Film noch interessanter und komplexer, weil er mehr Handlung, Figuren, Tempo und Genres beinhaltet. Und nebenbei besteht er den Bechdel-Test mit fliegenden Fahnen.

Aber was ich damit sagen will, ist nur: natürlich haben auch schon andere den Recycling-Ansatz für sich entdeckt und damit neue Werke erschaffen. Der Vorteil dabei ist gewiß, daß man hochwertiges Material verwenden kann, welches man oft nicht selbst so erstellen könnte; sei es wegen der Drehorte, sei es wegen der mehr oder weniger professionellen Schauspieler, die man einsetzen kann. Doch es ist eine langwierige Kleinarbeit, was sich insbesondere bei der Szenensuche und dem Ton bemerkbar macht. Vor allem aber verliert man die exakte Kontrolle über den Plot; man muss auf halbwegs passende Szenen hoffen, anstatt sie einfach drehen zu können. Oder den Plot ändern, damit er zu den Szenen passt. Wer gewohnt ist, ungestört Geschichten oder Drehbücher zu schreiben, dürfte diese Vorgehensweise als einen ziemlichen Klotz am Bein empfinden. Aber man kommt auch humpelnd ans Ziel…

Was nun den Film „The Norns: Mission on Mars“ angeht, so hoffe ich, daß er als spannender SF-Film funktioniert und nebenbei ein wenig über die Nornen erzählt. Wer mehr über uns wissen will, für den oder die gibt es alle anderen Seiten der Homepage als Referenzmaterial.

Diana Dessler

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