Stereotype des Bösen (Fotos: Pixabay)
Schicksalsstöcke

Gastbeitrag: Stereotype der Bösen von Esther Wagner

Ein brillianter Bösewicht kann eine Geschichte fast alleine tragen. Doch viele Storys geben sich mit stereotypen Gegenspielern zufrieden. Böse Herrscherinnen, gigantische Monster, brutale Schlächter: Es gibt zahlreiche Stereotype, die uns immer wieder begegnen. Weil sie funktionieren. Sie sind erprobt und gelernt.

Stereotype sind nicht unbedingt etwas Schlechtes. Menschen mögen Bekanntes in unendlicher Variation. Deshalb können die Stereotype des Bösen als Basis für spannende, vielschichtige Gegenspieler dienen. Als Autorin kann ich Elemente verschiedener Typen neu kombinieren und Klischees brechen. Und manchmal ist das Geheimnis einfach, einem Bösewicht eine glaubhafte Backstory zu geben. Denn oft ist nicht der stereotype Aufbau der Figur das Problem, sondern ihre Eindimensionalität. Es reicht heute eben nicht (mehr), wenn ein Antagonist einfach nur böse ist. Graustufen sind das neue Schwarz. Eine böse Königin darf eine liebevolle Mutter sein, ein grausamer Kriegsherr unter seiner makellosen Uniform ein posttraumatisches Stresssyndrom verbergen.

Wer Stereotype gekonnt einsetzt, kann daraus spannende, vielschichtige Figuren modellieren.

Hier kommt eine Auswahl an Stereotypen, die sich besonders gerne in den fantastischen Genres herumtreiben.

Machtstreber*innen

Sie sind hungrig nach Macht – und nutzen sie gnadenlos aus.

Der Tyrann
Er kann als König eines mittelalterlichen Reiches auftreten, als Imperator der Galaxis oder als Präsident einer dystopischen Gesellschaft, doch seine grundlegenden Merkmale sind immer gleich: große Macht und Grausamkeit, die sich gegen seine eigenen Untertanen richtet.

Die böse Königin
Sie ist die weibliche Version des Tyrannen, aber sie sieht dabei besser aus. Sie ist schön und sie trägt die besten Outfits. Düster-pompöse Roben, Lederkorsetts und schwarze Rabenfedern machen die böse Königin zum Traum aller Cosplayer.

Der böse Zauberer/ Die böse Hexe
Sie streben nach Macht und setzen dafür skrupellos ihre magischen Kräfte ein. Oft sind sie auf der Suche nach einem Artefakt, das ihre Macht noch vergrößert. Sie verfügen entweder über eine Armee von Sklaven, die sie kontrollieren, oder sie sind Einzelgänger, die alleine oder maximal mit einem Lehrling, im gruseligen Kämmerlein ihre magischen Fäden ziehen.

Der Milliardär, der nach der Weltherrschaft strebt
Er hat alles, aber er will noch viel mehr. Um die Weltherrschaft an sich zu reißen, ist ihm jedes Mittel recht. Das Fatale: Er kann sich so ziemlich jedes Mittel leisten.

Der Pate
Er ist ein König der Unterwelt und kann in vielen Bereichen mit dem Tyrannen mithalten. Er hat Macht, Geld und eine Privatarmee und herrscht mit Terror.

Der Thronräuber
Er strebt nach dem Thron und geht dafür über Leichen – selbst wenn dafür ein Brudermord notwendig ist. Der Thronräuber ist oft ein jüngerer Bruder oder ein naher Verwandter des Kronprinzen – oder der Kronprinz selbst, der nicht mehr länger darauf warten will, dass sein königlicher Vater auf natürlichem Wege den Thron räumt.

Monster und Kreaturen

Wenig Hirn, große Zerstörungskraft

Das Kaijū
Ein gigantisches Monster, das Städte vernichtet und Tausende tötet. Das Wort „Kaijū“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie „seltsame Bestie“. Godzilla ist ein echtes japanisches Kaiju, aber auch Drachen fallen in diese Kategorie.

Die Monsterarmee
Ihre schiere Masse macht diese Kreaturen so gefährlich. Sie kämpfen hirnlos und brutal, ihr einziges Ziel ist es, zu töten – aus reiner Mordlust, Hunger auf Hirn oder weil sie halt einfach böse sind. Die Monsterarmee kann aus Orks, Dämonen, Aliens oder Zombies bestehen und entweder aus eigenem Antrieb oder auf Befehl eines Machtstreber-Stereotypen handeln.

Frankensteins Monster
Ein Monster wider Willen, geschaffen von einem verrückten Wissenschaftler, einem bösen Zauberer oder von Aliens, die eine Invasion vorbereiten. Es ist das Ergebnis unethischer Experimente und oftmals schlummert noch Menschlichkeit in ihm.

Dämon mit Seele
Ein verflucht gutaussehender Vertreter der dämonischen Völker – gerne Vampir oder Werwolf. Seine Aufgabe ist es, zum Love Interest der unschuldigen, bzw. Dämonen jagenden Protagonistin zu werden und im Laufe der Geschichte seine Menschlichkeit wiederzufinden – natürlich mit maximaler Tragik!

Die Sirene
Ein wunderschönes weibliches Wesen, das Männer verführt und ins Verderben lockt. Oft ist ihre Schönheit nur Fassade und darunter verbirgt sich eine hässliche Dämonin oder ein schleimiges Alien auf der Suche nach einem Paarungspartner.

Die bucklige Verwandschaft

Familie ist etwas Wunderbares

Die böse Stiefmutter
Sie ist der Albtraum jedes Stiefkindes und macht ihm das Leben zur Hölle. Sie behandelt es mit maximaler Verachtung und Grausamkeit, während sie um ihre leiblichen Kinder herumhelikoptert.

Der Familientyrann
Der Tyrann im Kleinformat. Er ist der alleinige Bestimmer aller Familienangelegenheiten, gerne mit einem Hang zu körperlicher Gewalt. Oft  ist er jähzornig, zumindest aber zeigt er keine Empathie für seine Frau und seine Kinder. Die Familienehre ist ihm wichtig, die körperliche und geistige Gesundheit seiner „Lieben“ weniger.

Das Gruselkind
Auf den ersten Blick ist es ein herzallerliebstes Kind, gerne ein Mädchen in einem weißen Kleid, doch in ihm steckt das Böse. Es hat besondere Fähigkeiten, ist von Dämonen besessen oder auf grausame Art zum Geist geworden.

Mordsgesindel

Sie beherrschen die Kunst des Tötens und kennen keine Gnade

Der Auftragskiller
Er tötet für Geld und ist ein Meister seiner Profession. Er arbeitet alleine und im Verborgenen und ist oft intelligent. Manchmal hat er einen Ehrenkodex, aber Skrupel kennt er nicht; die sind reumütigen Auftragskiller-Protagonisten vorbehalten.

Der Meister der Kampfkunst
Er ist ein Meister im Schwertkampf, Kung Fu oder einer anderen Kampfkunst und bislang unbesiegt. Das will er auch unter allen Umständen bleiben. Er kämpft bis zum Tod.

Der sadistische Serienmörder
Er tötet aus Sadismus und Mordlust. Seine Grausamkeit macht ihn zum perfekten Hassobjekt. Der Sadist kann sowohl als einsamer Serienkiller auftreten, als auch als besonders brutaler Soldat. Schlachtet bevorzugt Protagonisten-Familien ab.

Die Söldnertruppe
Auch sie töten für Geld, aber gemeinsam. Oft hat jeder von ihnen eine besondere Fähigkeit. Die Söldnertruppe wird gerne eingesetzt, um den oder die Helden auf den Endkampf mit dem echten Bossgegner vorzubereiten. Tiefgang findet man in der Söldnertruppe selten. Ein eng verwandtes Stereotyp ist die Eliteeinheit, mit dem Unterschied, dass sie einer regulären Armee angehört.

Das verheerende Heer
Eine feindliche Armee, die mordend, plündernd und brandschatzend durch die Lande zieht und noch nie von der Genfer Konvention gehört hat.

Der Kriegsherr
Egal, ob er ein antikes Heer, eine moderne Armee oder eine Raumflotte befehligt: Er hat eine Mission und die führt er unter allen Umständen aus, auch wenn er dabei das halbe Universum vernichtet. Er ist charismatisch und respekteinflößend, ein geborener Anführer. Er erwartet absoluten Gehorsam von seinen Untergebenen und kennt keine Gnade mit jenen, die ihm im Weg stehen. Oft trägt er eine besonders coole Uniform.

Wer solche Freunde hat…

…hat viel Konfliktpotenzial

Der falsche Freund
Er gewinnt das Vertrauen der Heldin, um sie im richtigen Moment zu vernichten – oder auf die dunkle Seite zu ziehen. Eine Variante davon ist der Maulwurf, der besonders bei Helden-Ensembles gerne zum verdeckten Einsatz kommt.

Der Ex-Freund
Er war mal der beste Freund des Protagonisten, doch jetzt ist er sein Erzfeind. Oft steckt eine Frau dahinter, aber auch ein Job, den beide haben wollten oder Differenzen in der Kampfkunst-Ausbildung können zum Bruch geführt haben. Gutes Drama-Material!

Pädagogisch wertlos

Der böse Mentor
Er ist besonders perfide, denn er nutzt die jugendliche Naivität unserer Heldin aus, um sie zu korrumpieren. Gerade beim Erlernen einer Kampfkunst oder der Magie ist Vorsicht geboten! Um die Situation noch brisanter zu machen, ist der Mentor (oder die Mentorin, auch wenn mir da gerade keine einfällt) oft Eltern-Ersatz für die Heldin (Waisenkind-Helden-Trope!). Der finale Kampf verspricht Drama und Spannung!

Der brutale Ausbilder
Wenn Rekruten in einer Geschichte auftauchen, ist der sadistische Drill Sergeant oft nicht weit. Er will das Frischfleisch brechen sehen – physisch und psychisch.

Die fiese Lehrerin
Ob sie nur charakterlich verdorben ist, im Dienste des Bösen steht oder von einem Dämon besessen ist, stellt sich oft erst zum Showdown heraus. Aber sie macht unserer Heldin das Schulleben zur Hölle.

Genie und Wahnsinn

Der irre Wissenschaftler
Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich dicht beieinander. Der irre Wissenschaftler setzt sein Wissen nicht zum Wohle der Menschheit ein, sondern zu ihrer Vernichtung. Er ist entweder ein Einzelkämpfer, der aus Forscher-Ehrgeiz davon besessen ist, etwas Gigantisches zu erschaffen („Der Nobelpreis gehört uns, mein Schatz!“) oder er forscht im Dienste eines Herrn – siehe Tyrann oder Weltherrschafts-Milliardär. Oftmals überblickt er die furchtbaren Konsequenzen seiner Forschung nicht. Er lebt in seiner eigenen Welt.

Der Psychopath
Er ist hochintelligent und misanthropisch. Er spielt ein Spiel, in dem die ganze Welt sein Spielfeld ist und die Menschen seine Spielfiguren. Oft hat er sadistische Züge und er empfindet maximales Vergnügen dabei, Kontrolle auszuüben. Er strebt nicht nach einer Machtposition, sondern freut sich daran, im Verborgenen die Fäden zu ziehen und über Leben und Tod zu richten.

Fanatiker und Extremisten

Die folgenden Stereotype sind weitgehend selbsterklärend. Sie alle sind fanatische Anhänger einer Ideologie oder Religion. In ihrem Sinne töten, unterdrücken, verraten und manipulieren sie. Sie sind der Stoff, aus dem die Dystopien sind.

  • Die Faschisten
  • Die Terroristen
  • Die religiösen Eiferer

Allmächtiger!

Der Teufel
Satan, Beelzebub, der Gehörnte. Seit Jahrtausenden ein verlässlicher Bösewicht erster Klasse. Er kann als Verführer auftreten, als Versicherungsvertreter, als gruseliger Höllenherrscher oder als kleines Mädchen mit süßen blonden Locken. Man muss zu ihm nicht viel erklären, denn jeder kennt ihn. Super praktisch!

Das Böse(TM)
Eine (all)mächtige, gottgleiche Macht, so unvorstellbar mächtig und böse, dass sie gar keinen Grund zum Bösesein braucht. Sie will einfach alles vernichten. Weil halt. Kann natürlich trotzdem besiegt werden.

Welche weiteren Stereotype des Bösen kennt ihr?
Und welcher Bösewicht-Typ ist der/die Antagonist*in eurer Geschichte?

Ein Beitrag von Esther Wagner.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments