Anlässlich unseres Anthologiemonats möchte ich** euch heute hinter die Kulissen der Anthologie nehmen und zeigen, welche Aufgaben und Herausforderungen einen Herausgeber erwarten. Ich habe letztes Jahr die Märchenspinnerei-Anthologie Es war einmal … ganz anders herausgebracht und damit einiges gelernt. Spoiler: Es ist verdammt viel Arbeit!
Ein kleiner Disclaimer vorab: Ich rede hier von meinen Erfahrungen beim Herausgeben einer Selfpublishing-Anthologie. Ein vom Verlag bestimmter Herausgeber, sollte dieser nicht gleichzeitig der Verleger sein, hat womöglich nicht ganz so viele Aufgaben.
Der rote Faden
Als erstes muss man sich darüber Gedanken machen, was für eine Anthologie man zusammenstellen möchte. Dabei reicht das Genre allein nicht aus. Nichts ist frustrierender als eine vollkommen zusammenhanglose Ansammlung von Kurzgeschichten. Man braucht einen roten Faden. Das kann ein übergeordnetes Thema sein, eine bestimmte Art zu erzählen oder auch ein wiederkehrendes Symbol.
Dieser rote Faden wird besonders wichtig, wenn es an die Auswahl der Geschichten geht. Oft ist es nicht allein die Qualität der Geschichte, die zählt, sondern, ob sich mit den ausgewählten Geschichten ein rundes Gesamtpaket erstellen lässt. Besonders knifflig wird es, wenn man zwei ähnliche, gute Geschichten hat und sich für eine entscheiden muss.
Anders sieht es aus, wenn Autoren speziell für eine Anthologie angefragt wurden. Als Herausgeber muss man Vertrauen in die Autoren haben, dass diese eine hochwertige Geschichte abliefern und vorab ein wenig koordinieren, dass nicht zu viele gleiche Geschichten entstehen. Auf der anderen Seite muss man am Ende entscheiden, wie man die Geschichten sortiert, damit trotz größerer Bandbreite ein gemeinsames Thema deutlich wird.
Am Anfang steht die Ausschreibung
Für eine Anthologie braucht man Geschichten und die schreiben sich gewöhnlich nicht über Nacht. Es sollte also ausreichend Zeit zwischen der Ausschreibung, dem Ausschreibungsende und der geplanten Veröffentlichung liegen. In erster Linie muss der Text die technischen Details kommunizieren: Deadline, Textumfang, Format, Vergütung, Kontaktadresse zum Einsenden der Texte. Der weitaus schwierigere Teil ist die Themenvorgabe.
Ähnlich wie bei Klappentexten muss man die Autoren interessieren. Wichtig ist hier, dass klar kommuniziert wird, was man sich wünscht. Nichts ist schlimmer, als im Nachhinein ein Dutzend Fragen beantworten zu müssen, ob das und das auch geht. Oder noch schlimmer nach Ausschreibungsende zu erfahren, dass Autoren nichts eingereicht haben, weil sie das Thema falsch verstanden haben. Gerade, wenn man einen sehr gut ausgearbeiteten Rahmen vorgibt, muss man darauf achten, dass der Entfaltungsspielraum aus dem Text hervorgeht. Gerade, wenn man im Teaser Beispiele nennt und die Atmosphäre des Buches aufbaut, nehmen viele Autoren an, dass genau diese Beispiele gesucht werden und KEINE anderen. Eine klare Kommunikation ist hier also vom Vorteil.
Germany’s next top story
Sobald der Einsendeschluss vorbei ist, geht es an die Auswahl der Texte. Hat man vorab Autoren speziell angefragt, ist dieser Teil einfach: Man arbeitet mit dem, was man hat. Für alle anderen Herausgeber kommt nun je nach Menge ein ganzer Batzen Arbeit auf einen zu. Da muss jeder Herausgeber seine eigenen Methoden finden. Es gibt welche, die schnell jede Geschichte anlesen und quasi sofort aussortieren, was den grundsätzlichen Qualitätsmerkmalen nicht entspricht. Die meisten arbeiten danach mit einem Ampelmodell und teilen die Geschichten ein in „auf jeden Fall drin“, „vielleicht“ und „auf keinen Fall“, in der Hoffnung, dass nicht zu viele grün sind und auch nicht zu wenige grün und gelb.
Schwierig wird es dann, wenn man sich entscheiden muss. Wie viele Geschichten nimmt man rein? Welche Geschichten, die grün sind, müssen draußen bleiben. Welche gelben Geschichten schaffen es hinein? Müssen vielleicht doch ein paar rote Geschichten rein? Die Auswahl ist auf jeden Fall nie leicht.
Das fertige Buch
Sind alle Geschichten eingetroffen, wird es Zeit daraus ein Buch zu machen. Durch die vorherige Auswahl fällt das Lektorat meist sehr spärlich aus. Für die Herausgeber, die stattdessen ihre Autoren zusammengestellt haben, heißt es nun aber für ein vernünftiges Lektorat und Korrektorat zu sorgen. Während das läuft kann man sich um die anderen Aspekte des Projektes kümmern: Woher kommt das Cover? Wie wird das Innere gestaltet? In welcher Form werden die Autoren innerhalb der Anthologie vorgestellt? Wenn die Geschichten alle fertig sind, steht der Buchsatz an.
Manche dieser Aufgaben kann man outsourcen, viele Herausgeber übernehmen aber auch Aufgaben höchstpersönlich.
Schließlich steht aber die größte Hürde von allen an: Das Marketing! Anthologien sind leider immer noch die Stiefkinder der Buchbranche und werden oft verschrien als ein Format, das eher den Autoren fördert, als Leser anspricht. Als Herausgeber bin ich auch verantwortlich dafür, die Anthologie zu vermarkten. Das heißt oft diverse Ankündigungslevel, eine Vorstellung der Autoren und Geschichten und generell Präsenz auf den eigenen Seiten und offline auf Messen und im Buchhandel. Es lohnt sich hier die Autoren einzubinden, denn schließlich haben ein Dutzend Menschen mehr Reichweite als ein einzelner.
Das Licht am Ende des Tunnels
Als Herausgeberin der Märchenspinnerei-Anthologie lagen viele Aufgaben in meinen Händen. Was noch dazu kam, war, dass den Einsendeschluss nur 50% der Autoren eingehalten haben. Das führte natürlich zu Stress hinten raus, als die Anthologie in den Druck musste, man aber über Nacht noch ein Lektorat anstand, damit auch die letzte Geschichte ins Buch kam.
Schließlich ist es aber so weit, das Buch geht in den Druck und man erhält die ersten Belegexemplare. Ein wunderschönes Gefühl, für das man sich ruhig auch mal auf die Schulter klopfen darf. Eine Anthologie ist für den Herausgeber viel Arbeit, aber am Ende das eigene Werk in Händen zu halten entschädigt.
** Autorin des Beitrags ist Janna Ruth
Danke für deine Erfahrungen, Janna! 😀 Hatte tatsächlich auch gerade überlegt, sowas zu starten. Ich glaube aber, das überlege ich mir nochmal …