Schicksalsstöcke

Türchen 14: Weihnachtsgefühle (Cel Silen)

»Soll ich es Ihnen einpacken?«

»Was soll das bringen?«, fragte ich.

Die Verkäuferin sah mich entgeistert an. »Aber es ist doch Weihnachten. Da beschenkt man sich gegenseitig. Haben Sie denn niemanden, der Ihnen am Herzen liegt?«

Den hatte ich. Doch sie war ein paar hundert Kilometer entfernt auf einer Hexenfortbildung. Und sie konnte sich selbst kaufen, was sie wollte, also zuckte ich nur mit den Schultern. »Kann ich jetzt meine Marmelade bekommen?«

»Aber man muss sich doch beschenken!«

Ich schnappte ihr die Marmelade aus der Hand und gab ihr die Münzen. »Ich beschenk mich halt selbst.« Was ging es sie eigentlich an, was ich mit der Marmelade anstellte?

Ich setzte meinen Weg fort und steckte meine Hände in die Manteltaschen.

Um diese Jahreszeit war die Stadt noch voller als sonst, der Markt verschneit, belebt und alle möglichen zwielichtigen Gestalten tummelten sich in den Gassen. Ich verstand den Sinn des Festes einfach nicht. Bevor meine Hexe und ich vor einem Jahr hergezogen waren, hatte ich noch nie etwas von diesem Weihnachten gehört und es gefiel mir bisher nicht.

Mein Blick fiel in eine Gasse. Ein Fuchs – eindeutig Gestaltwandler – schnupperte an der Hintertür eines Hauses. Und weiter hinten lag ein bewusstloser Vampir. Den Alkohol konnte ich bis hier sogar mit Menschennase riechen. Ich blieb stehen.

Der Fuchs bemerkte mich. Stockte. Verwandelte sich in einen jungen Mann mit verfilztem Haar und dreckigen Kleidern, die ihm kaum Schutz boten. Sofort fing er an zu zittern. Wir sahen einander schweigend in die Augen. „Was willst du?“, fragte er dann, streckte das Kinn vor, aber es sah alles andere als einschüchternd aus. Ich schoss ihm einen Blick zu, Augen gelb aufleuchtend. Er zuckte zusammen, steckte die Hände unter die Achseln und wandte sich zum Gehen.

Ich zog meinen Mantel aus, schmiss ihn dem Jungen samt Marmelade in der Tasche hin. »Geh in den Wald. Da ist es sicherer und es gibt mehr zu essen«, sagte ich und ging weiter.

Schon an der nächsten Ecke wurde ich wieder aufgehalten. Eine Gruppe grölender Jugendlicher sang Lieder, die ich nicht kannte und auch nicht kennenlernen wollte.

Ich umrundete die Gruppe, sah ihnen noch einen Moment lang zu und kollidierte mit jemanden. Die Dame stieß ein kätzisches Fauchen aus. »Können Sie nicht aufpassen?« Sie presste ihre Tüten, mit Tannen und bunten Kugeln bemalt, fester an sich und eilte die Straße entlang.

Ich schüttelte den Kopf und ging geradeaus weiter. Egal wo ich hinsah, bemerkte ich gestresste Gesichter, vollgepackte Arme und angetrunkene Wesen. Ist es das, was Weihnachten ausmachte?

Es schneite nicht mehr, der Pulverschnee verwandelte sich durch die vielen Füße, Karren und Tiere in eine matschige braune Masse.

Je weiter ich mich aus der Hektik und dem Stadtkern entfernte, desto schöner zeigte sich der Winter in seiner vollen Pracht – Schnee und Eis verwandelten den Wald in ein Wunderland. Die Kälte ließ meinen Atem gefrieren, langsam wurde es kalt ohne den Mantel.

Endlich zuhause angekommen entzündete ich ein paar Kerzen und kuschelte mich vor dem Kamin mit einem Buch in eine Decke. Dieses Weihnachten gefiel mir irgendwie nicht, ich entspannte mich lieber und genoss den Winter.

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Bianca Grätz
Bianca Grätz
4 Jahre zuvor

…und ich kann es mehr als gut verstehen!!
…dankeschön für das Lächeln auf meinem Gesicht <3